Kulturpreisverleihung 2024
- Es gilt das gesprochene Wort -
Rede von Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich der Kulturpreisverleihung der Stadt Regensburg am 13. November 2024 um 19 Uhr im Theater Regensburg
Sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
verehrte Gäste,
ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu diesem besonderen Abend, an dem wir die Kultur unserer Stadt Regensburg feiern und diejenigen ehren, die durch ihre künstlerische Arbeit das kulturelle Leben dieser Stadt maßgeblich mitgestalten.
Es ist mir eine große Freude, heute Abend mit Ihnen die Preisträgerinnen und Preisträger des Kulturpreises und der Kulturförderpreise zu würdigen, die durch ihr Werk nicht nur bereichern, sondern auch einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, dass Regensburg als Kulturstadt wahrgenommen wird; die uns mit ihrer Kunst herausfordern, die uns anleiten, über uns selbst und die Welt um uns nachzudenken.
Besonders die letzten Wochen haben gezeigt: nichts ist sicher. Die Welt ist instabil geworden.
In Zeiten, in denen sich die Welt zunehmend polarisiert und Demokratien erodieren brauchen wir die Kunst mehr denn je.
In Zeiten, in denen die Welt von Konflikten, Kriegen und Krisen erschüttert wird und vor drängenden Herausforderungen steht, brauchen wir das respektvolle Miteinander, ein Eröffnen von Freiräumen und den kritischen Diskurs unbedingt.
Der Krieg in der Ukraine, der Konflikt im Nahen Osten, die Klimakrise und die Energiekrise – all dies sind Themen, die uns zum Handeln und zum Reflektieren über unsere gemeinsamen Werte anregen müssen; regional, überregional und international.
Die Städtepartnerschaft zwischen Regensburg und Odessa ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Der Krieg in der Ukraine bringt unvorstellbares Leid über die Menschen. Wir fühlen uns mit Odessa besonders verbunden und stehen an ihrer Seite, nicht nur in unseren Gedanken, sondern auch in unseren Taten.
Im Besucherzentrum Welterbe haben wir in der letzten Woche eine Ausstellung zur deutsch-ukrainischen Geschichte in Odessa eröffnet. Die Ausstellung beleuchtet historische wie zeitgenössische Aspekte der Beziehung zwischen der ukrainischen Hafenstadt Odessa und deutschen Einwanderern vor Ort.
Eine Fotoreihe dokumentiert die humanitäre Hilfe und Solidarität Regensburgs für Odessa während des bis heute andauernden Angriffskrieges und zeigt die besondere Freundschaft zweier Städte in beeindruckenden Bildern. Die Ausstellung wurde in der Partnerstadt Odessa speziell für die Präsentation im Besucherzentrum entwickelt und ist das Ergebnis einer fortwährenden Zusammenarbeit unserer beiden Städte. Seit 1990 sind wir in der Städtepartnerschaft gemeinsam verbunden.
Die historischen Zentren beider Städte tragen einen UNESCO-Welterbetitel. Regensburg seit 2006, Odessa seit 2023. Seit dem letzten Jahr steht damit das historische Zentrum von Odessa auf der Liste des gefährdeten Erbes der Welt. Die Bedeutung der Anerkennung des UNESCO-Welterbetitels während des Krieges ist immens. Sie manifestiert den Schutz von Kulturgütern sowie weitere kulturelle Herausforderungen, vor denen die Partnerstadt Odessa aktuell steht.
Auch in Regensburg ist der Welterbe-Titel nicht nur ein Manifest für die Architektur und das kulturelle Erbe der Vergangenheit, sondern auch ein lebendiges Zugeständnis an die Verbindung von Geschichte mit den kreativen Visionen der Gegenwart; und an die Weiterentwicklung und den Erhalt einer Kultur, die uns als Gesellschaft prägt und zusammenhält.
Kultur ist in Zeiten von Krieg und Krise ein unverzichtbares Mittel der Verständigung und der Solidarität. Sie ist ein Zeichen der Hoffnung. Kunst und Kultur agieren als bindende, einende Kräfte. Sie ermöglichen uns, über den Tellerrand hinauszublicken, und zeigen uns neue Wege, wie wir in schwierigen Zeiten miteinander umgehen können.
Die Zeitenwende nährt auch die Sehnsucht nach Orten, an denen die Notstände, Probleme und Zwangslagen anders verhandelt werden als in den Nachrichten.
Ich freue mich sehr, dass wir heute Abend die Bühne im Theater Regensburg nutzen. Denn gerade das Theater ist der Raum, in dem moralische und ethische Fragestellungen verhandelt und diskutiert werden. Der Theatersaal ist der Ort, der uns zu großen Gedanken anregt; der herausfordert und uns reflektieren lässt: über unsere eigene Identität und über unsere Verantwortung füreinander.
Das Stück „Der gute Mensch von Sezuan“ des bekannten Dramatikers Bertolt Brecht untersucht die These, nach der es ein allgemeines Gesetz ist, dass es unmöglich sei, gut zu sein und doch zu leben. Im Stück wandeln drei Götter auf der Erde und suchen zumindest einen einzigen Menschen, der gut ist und Gutes tut: "Die Welt kann bleiben, wie sie ist, wenn genügend gute Menschen gefunden werden."
In seinem epischen Theater war es Brechts Ansinnen, das Publikum aufzufordern, sich mit den dargestellten Problemen selbst auseinanderzusetzen. Dazu sollte das Publikum nicht nur zuschauen; es wird angesprochen und eingebunden, soll eigene Schlüsse ziehen.
Im Epilog zu “Der gute Mensch von Sezuan” bleiben so auch die alleingelassene Protagonistin und ein ratloser Spielleiter zurück, der sich wegen der ausbleibenden Lösung entschuldigend ans Publikum wendet: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen // Den Vorhang zu und alle Fragen offen”.
Und doch – oder gerade deshalb – ist das Brechtsche Theater ein Hoffnungsvolles. Denn es geht davon aus, dass eine Änderung der bestehenden Verhältnisse möglich ist.
Gerade heute, in einer Zeit, in der Vieles auf dem Spiel steht, wird uns die Bedeutung der Demokratie und des Friedens bewusst.
Kultur ist eine Sprache, die über Grenzen hinweg spricht – über geografische, politische und strukturelle Trennlinien hinweg. Sie kann eine Brücke schlagen, wo politische oder sprachliche Barrieren bestehen. Es ist die Kultur, die uns hilft, in schwierigen Zeiten den Dialog zu suchen. Hier können Kunst und Kultur Ihr demokratieförderndes Potential ausschöpfen.
Und dafür ist es unser Auftrag, die Kunst und Kultur selbst zu fördern:
- indem wir sie stärken
- Möglichkeiten eröffnen
- Strategien entwickeln
- kooperativ agieren.
Durch spartenübergreifendes und interdisziplinäres Denken; durch mutige Positionen, klares Positionieren und sinnstiftendes Handeln.
Die Auszeichnung des Kulturpreises und der Kulturförderpreise ist eine Bestätigung des Werts von Kunst und Kultur und ein Aufruf an uns alle, weiterhin in diesem Geist der Zusammenarbeit und des Respekts füreinander zu handeln.
Lassen Sie uns weiter gemeinsam an einer Zukunft arbeiten, in der die Kunst die Kraft hat, Brücken zu bauen. Lassen Sie uns weiterhin die Kultur als einen gemeinsamen Raum für Dialog und Austausch pflegen. Denn genau in diesem Raum finden wir die Möglichkeit, unsere Zukunft zu gestalten – eine Zukunft, in der Werte wie Respekt, Zusammenarbeit und Demokratie die Grundlage unseres Zusammenlebens bilden.
Herzlichen Glückwunsch an alle Preisträgerinnen und Preisträger und einen herzlichen Dank an alle Kulturschaffenden in unserer Stadt, die Regensburg zu einem Ort machen, an dem sich Kultur entfalten kann!
Ich wünsche mir sehr, dass Ihre Arbeit weiterhin eine Quelle der Inspiration für uns alle sein kann.