Trauerakt für Oberbürgermeisterin a.D. Christa Meier
- Es gilt das gesprochene Wort -
Rede für Oberbürgermisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer anlässlich des Trauerakts für Oberbürgermeisterin a.D. Christa Meier am 18. Dezember 2024 um 18.00 Uhr im Reichssaal
Anrede
Lassen Sie uns heute gemeinsam Oberbürgermeisterin a.D. Christa Meier gedenken, die am 1. Dezember 2024 verstorben ist.
Vor wenigen Tagen, am 6. Dezember, wäre Christa Meier 83 Jahre alt geworden. Sie hat diesen Geburtstag nicht mehr erlebt und so erinnern wir uns heute an Christa Meiers engagiertes Leben.
Wir erinnern an einen großartigen Menschen, der sich in die Herzen von uns allen, liebe Trauergemeinde, eingeschrieben hat.
Christa Meier ist uns als zugewandter Mensch und leidenschaftliche Politikerin begegnet.
Anlässlich ihres 80. Geburtstag vor drei Jahren konnte ich meiner Vorgängerin im Amt von diesem Rednerpult aus noch einmal ebenso öffentlich wie persönlich sagen, was sie für mich bedeutet. Ohne sie wäre ich nicht Politikerin geworden. Sie ist und bleibt mein Vorbild. Die vielen lebendigen Erinnerungen, die ich mit unserer lieben Verstorbenen teile, trösten mich.
Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen ähnlich geht und Sie Ihre Gedanken in den vergangenen Tagen immer wieder zu einer Frau führten, die jeden und jede gesehen und ernst genommen hat.
Über Parteigrenzen hinweg und weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus wird über Christa Meier gesagt, dass sie ein „feiner und verlässlicher Mensch“ war – auch ich habe sie so erlebt.
Sie blieb bei sich, ließ sich nicht ablenken, argumentierte mit einer klaren Haltung, beharrlich und diszipliniert. Sie integrierte. Auf ihr Wort konnte man sich verlassen.
Als erstes weibliches Stadtoberhaupt in Bayern stand Christa Meier von 1990 bis 1996 an der Spitze unserer Stadt. Ganze 48 Jahre engagierte sie sich im Stadtrat für eine gerechte, frauen- und familienfreundliche, menschenfreundliche, sozialdemokratische Politik.
Ich erinnere mich lebhaft daran, wie ich ihr 1974 als Schülerin zum ersten Mal bewusst begegnete. Im Oktober 1974 sollte Willy Brandt auf dem Domplatz sprechen. Weil er sich verspätete, hielt Christa Meier als Vorrednerin die wartende Menge bis zum Eintreffen des Friedensnobelträgers bei Laune. Sie beeindruckte mich sehr, weckte mein Interesse für Politik und war eine Persönlichkeit, die für mich Anstoß war, in die SPD einzutreten.
Ich bin dankbar dafür, dass ich mit Christa Meier so viele Jahre gemeinsam Stadtpolitik gestalten durfte. Das war ein großes Geschenk.
Christa Meier war ihrer Zeit weit voraus.
Für ihre Positionen
- zum Umweltschutz,
- zur Verkehrsberuhigung,
- zu Gleichberechtigung von Männern und Frauen,
- zu Schul- und Bildungsfragen,
- zu Seniorenarbeit und
- zu Familienfreundlichkeit
erntete sie vor allem im konservativen Lager Unverständnis. Dabei wusste sie genau, wovon sie sprach.
Gesellschaftliche Verhältnisse, an deren Verbesserung sie arbeitete, kannte sie aus frühester Kindheit. Am Nikolaustag des Jahres 1941 wurde Christa Meier hineingeboren in Hitlers Deutschland und einen schrecklichen Krieg.
Damals konnte sich weder jemand vorstellen,
- dass dieses neugeborene Mädchen einmal als Stadträtin und Landtagsabgeordnete die Geschicke Regensburgs und Bayerns entscheidend mitgestalten würde
- noch, dass es einmal die erste Oberbürgermeisterin einer bayerischen Großstadt werden und damit viele Menschen darin bestärken würde, sich ebenso in der Politik zu engagieren.
Allzu früh sollte Christa erfahren, wie der Krieg in jeder einzelnen Familie spürbar wurde.
Aufgewachsen am Galgenberg und im Kasernenviertel verlor sie als Dreijährige den Vater im 2. Weltkrieg. Die berufstätige Mutter war nun allein und übertrug ihren beiden Kindern früh Verantwortung. Es war für Christa nicht leicht, ihre Mutter davon zu überzeugen, dass sie das Gymnasium besuchen wollte. Doch die Tochter der Kriegswitwe ließ nicht locker. Schließlich war sie die erste in der Familie, die das Abitur machte.
An der Universität Regensburg, eigentlich der Pädagogischen Hochschule, die organisatorisch der LMU München zugeordnet war, studierte sie Pädagogik für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Christa liebte Kinder. Sie wollte denjenigen Bildung weitergeben, die es am dringendsten brauchten, denen der Weg zu höherer Bildung aufgrund ihrer Herkunft nicht vorgezeichnet war.
1964 heiratete die junge Lehrerin den Architekten und Innenarchitekten Ludwig Meier und ging mit ihm nach Aachen in Nordrheinwestfahlen.
Dort trat sie 1966 in die SPD ein, weil diese Partei vertrat, was ihr in jungen Jahren besonders wichtig geworden war: Bildung und Abrüstung. Den Aufrüstungsbestrebungen in der jungen Bundesrepublik stand sie höchst kritisch gegenüber. Bildung dagegen könnte Menschen vielleicht davon abhalten, zu den Waffen zu greifen.
Die Themen Chancengleichheit, Bildung, Frauenrechte und Kultur leiteten Christa Meier wie ein Stern. Trotz der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung von Männern und Frauen, durfte eine Frau noch bis 1977 nur dann berufstätig sein, wenn ihr Ehemann dazu die Zustimmung gab.
Für Christa Meier, die erlebt hatte, wie ihre Mutter als Kriegswitwe allein den Alltag zwischen Beruf und zwei Kindern organisierte, war das blanker Hohn. Selbstverständlich forderte sie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und setzte die Geschlechterfrage auf ihre politische Agenda. Fragen der Gleichberechtigung behandelte sie nicht als Sonderaufgaben, sondern als Querschnittsaufgabe, die alle Gesellschaftsbereiche durchdringen sollte.
Im Gedenken an eine Persönlichkeit voller Mut, Zuversicht und nachhaltiger politischer Entscheidungen, verehrte Trauergemeinde, möchte ich wachrufen, was Christa Meier für unsere Stadt und damit für viele von uns ganz unmittelbar geleistet hat.
1990, mit 49 Jahren, wurde Christa Meier Oberbürgermeisterin von Regensburg. Auf dem Weg dorthin lagen Fleiß, Engagement und ein feines Gespür für die Menschen in ihrer Heimatstadt.
Viele Jahre war Christa Meier Vorsitzende des SPD-Stadt- und Kreisverbandes Regensburg. Von 1979 bis 1985 war sie stellvertretende Landesvorsitzende der bayerischen SPD.
1978 wurde sie in den Bayerischen Landtag gewählt. Von 1982 bis 1990 war sie dort Vorsitzende des Kulturpolitischen Ausschusses.
Von 1972 bis 2020 war sie Mitglied des Regensburger Stadtrats – 48 Jahre! Und weil sie sich schon vorher in die Kommunalpolitik einmischte und auch nachher, macht das ein halbes Jahrhundert politische Arbeit für unsere Stadt, wahrscheinlich noch viel mehr.
Für dieses unfassbar große Engagement ist Christa Meier vielfach geehrt worden.
Christa Meier ist Trägerin
- des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland,
- der Bayerischen Verfassungsmedaille
- der Kommunalen Verdienstmedaille Bayerns in Silber und in Gold
- des Verdienstkreuzes 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschlands
- sowie der Goldenen Bürgermedaille unserer Stadt
Die Goldene Bürgermedaille rief der Magistrat 1913 für Persönlichkeiten ins Leben, die sich ganz außerordentlich um das Wohl und das Ansehen unserer Stadt verdient gemacht hatten. Er verfügte, dass maximal 25 Personen, die Goldene Bürgermedaille der Stadt Regensburg erhalten sollen. Christa Meier war eine von bisher 20 verdienten Bürgerinnen und Bürgern!
Christa Meier ging es immer um die Gerechtigkeit und die Verbesserung sozialer Verhältnisse. Dazu gehörten neben der Bildung der soziale Wohnungsbau ebenso wie Betreuungsangebote für Kinder.
Schon als junge Stadträtin stritt Christa Meier zugunsten der historischen Altstadt gegen die autogerechte Stadt. Ohne Christa Meiers Veto für die autogerechte Stadt in den 70er Jahren hätte Regensburg den UNESCO Weltkulturerbe-Titel wahrscheinlich nie erreicht.
Statt das Ensemble der historischen Altstadt mit mehrspurigen Straßen zu durchschneiden, setzte sich Christa Meier für Straßen ein, die den Durchgangsverkehr außen herumführten, etwa für die Schwabelweiser Brücke mit Osttangente.
Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern bewahrte sie so das Hotel Maximilian oder das Kloster St. Klara vor dem Abriss.
In ihrer Zeit als Oberbürgermeisterin gelang eine Hochwasserschutzplanung, die auf eine massive Hochwassermauer in Stadtamhof verzichten konnte.
Die historische Altstadt stand für Christa Meier nie im Widerspruch zu einem modernen und nachhaltigen Wohnungsbau. Als Oberbürgermeisterin gelang es ihr, beides miteinander zu verbinden.
Von 1990 bis 1996 wurde verstärkt in den sozialen Wohnungsbau investiert. Für mehr Wohn- und Lebensqualität setzte Meier auf Verkehrsberuhigung (viele erinnern sich sicher noch an die „Christa-Meier-Hütchen“).
Meier initiierte eine Reihe von Kinderbetreuungsmaßnahmen. Zwischen 1990 und 1996 wurden rund 550 Kindergarten- und 300 Kinderhortplätze neu geschaffen. Auch wenn die Einrichtung von Kinderkrippen für viele konservative Kräfte in der Stadtgesellschaft ein rotes Tuch war, Christa Meier wusste: Im Sinne der Unabhängigkeit von Frauen, haben Betreuungsplätze höchste Priorität.
Christa Meier hat die Mittagsbetreuung an Schulen erfunden. Sie wurde 1991 an städtischen Schulen eingeführt. Jahre später erst folgten staatliche Schulen diesem Beispiel.
Zur kommunalen Avantgarde gehörte die Regensburger Stadtverwaltung auch, als unter der Führung Christa Meiers das Umwelt- und das Seniorenamt geschaffen wurden. Bundesweit beispielgebend wurde ein neues Abfallwirtschaftskonzept oder die Einführung müllarmer Dulten und Christkindlmärkte. In ganz Deutschland übernahmen Städte Lösungen aus Regensburg.
Die Ereignisse der letzten Jahrzehnte gaben Christa Meier recht. Wie unglaublich zukunftsfähig ihre Entscheidungen waren, wissen heute auch die politischen Gegenspieler von damals.
Christa Meier war Avantgarde. Treffend lautet der Titel ihrer Biografie „Vorausgehen“.
Christa Meier war Politikerin aus Überzeugung. Sie arbeitete mit den Instrumenten des Dialogs, mochte den ehrlichen, offene Austausch von Argumenten, um die bestmögliche Lösung zu finden. Das war ihr Verständnis vom demokratischen Miteinander.
Lassen Sie uns im Gedenken an Christa Meier für den demokratischen Austausch werben. Sie war uns eine großartige Lehrerin und Vorbild. Und sie wird es uns auch in Zukunft sein. Christa Meier hat Regensburg zu dem gemacht, was es heute ist, weltoffen und lebenswert. Sie hat die Stadt nachhaltig geprägt. Mit der "Christa-und-Ludwig-Meier-Stiftung" wird ihr Vermächtnis unsere Stadt auch über ihren Tod hinaus gestalten.
Sehr verehrte, liebe Trauergemeinde, schöpfen Sie aus den Erinnerungen an Christa Meier Kraft. Sie war ein wunderbarer Mensch und eine mutige Politikerin.
Sie hinterlässt eine große Lücke, sie fehlt uns sehr.
Doch die Erinnerung an sie wird lebendig bleiben, da bin ich mir sicher.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.