Haushaltsrede der ÖDP-Fraktionsvorsitzenden Astrid Lampby
-Es gilt das gesprochene Wort -
Rede zum Haushalt 2025 Astrid Lamby, Vorsitzende der ÖDP-Stadtratsfraktion
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer,
sehr geehrte Kolleg*innen,
sehr geehrte Zuschauer*innen,
werte Vertreter*innen der Medien,
herzlichen Glückwunsch, Sie haben jetzt gleich die Hälfte der Haushaltsreden geschafft! Und wenn sie es geschafft haben, wenn die Reden zu Ende sind, dann wartet auf uns etwas ganz Neues: denn mit etwas politischem Willen beschließen wir heute ohne eine Koalition als Kollegialorgan den Haushalt 2024-2028 und machen damit unsere Stadtverwaltung, ja unsere Stadt, handlungsfähig. Das ist nicht selbstverständlich – zum einen, weil es bei der Höhe unseres Investitionsprogramms zunächst immer auch sein kann, dass wir keinen genehmigungsfähigen Haushalt hinbekommen. Zum anderen, weil es eben seit einigen Monaten keine Koalition in der Rathauspolitik mehr gibt.
Eine Koalition ist eine Regierungsform, die auf kommunaler Ebene eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Und die wird hier und heute vom Agieren eines Kollegialorgans abgelöst. Das, was wir als ÖDP schon Jahre einfordern, das gemeinsame Arbeiten aller demokratischen Stadtratsmitglieder, wurde jetzt aus einer politischen Not heraus geboren.
Denn eigentlich haben wir alle uns im Amtseid dem Wohle der Stadt verpflichtet – so sollte es ein Leichtes sein, mit wechselnden Mehrheiten gute Entscheidungen zu treffen. Aber wir alle wissen, dass das dennoch bislang nie die Regel war.
Ein Koalitionsausschuss weiß immer früher Bescheid, berät sich, entscheidet – und alle anderen sind schmuckes Beiwerk der politischen Vielfalt.
Wie schön, dass es diesmal anders war. Wir alle, die wir hier sitzen, sind uns deshalb noch lange nicht in allen Fragen einig. Aber rufen wir uns die Entscheidungsfindung zur Mobilitätsdrehscheibe am Unteren Wöhrd in Erinnerung:
- die ökologisch orientierten Stadträt*innen wollen kein Parkhaus,
- die SPD will es schon,
- FDP und CSU wollen mehr Parkplätze aber
- die CSU will dieses Parkhaus dann doch gar nicht.
Jedenfalls wurde am Ende der Diskussion der Bebauungsplan ausgesetzt, der Bedarf soll neu erhoben werden, es wird nochmal nachgedacht.
Keine Fraktion hat einfach bekommen, was sie wollte, wir alle haben Kompromisse gemacht. Am Ende ist das passiert, was sich viele Bürger*innen von der Politik wünschen: ein demokratischer Diskurs an dessen Ende nicht einfach Geld zum Fenster herausgeschmissen wird, sondern an dem nochmal nachgedacht wird. Nicht, ohne Verluste:
Das Ganze kostet. Aber hoffentlich mit einem insgesamt nachhaltigeren Ergebnis.
Warum erzähle ich das alles? Weil gute Politik halt nicht einfach, nicht schwarz-weiß ist. Und weil in den letzten Monaten einiges ganz gut gelaufen ist. Wenn die ÖDP heute, seit vielen Jahren erstmals, einem Haushalt mit Investitionsprogramm zustimmt, dann ist das das Ergebnis dieses Prozesses.
Denn natürlich könnten wir einfach hier und heute aufzählen, welche Straßenbaumaßnahmen „drin“ sind, die uns politisch sauer aufstoßen, könnten betonen, dass alles nicht schnell genug geht mit der Klimapolitik und wir hätten in unseren Augen und mit guten Argumenten ja auch recht.
Und dennoch ist es anders gelaufen – weil alle Fraktionen frühzeitig einbezogen wurden und weil uns die Verwaltung, allen voran der Finanzreferent, Tools zur Verfügung gestellt hat, mit denen man sich wirklich gut vorbereiten konnte.
Und jetzt zu den Fakten: wenn wir alles im Investitionsprogramm stehen lassen, was die Referate anmelden, wird das nichts mit dem Haushalt. Ein aufgeblähtes IP, welches mengenmäßig nicht abzuarbeiten und nur mit hoher Neuverschuldung zu schultern wäre und ein Haushalt, der daher nicht genehmigungsfähig wäre.
Also haben wir zusammen herausgearbeitet, welche großen Maßnahmen uns allen wichtig sind.
An erster Stelle stehen Schulbauten und Schulrenovierungen, um Raum für Bildung zu schaffen. Und dass Bildung die Grundlage für demokratisches Denken und nachhaltiges Handeln ist, ist unumstritten. Deshalb ist dafür auch der „größte Brocken“ im IP vorgesehen.
Dicht gefolgt vom Verkehr. Dass wir an einer Verkehrswende nicht vorbeikommen, ist auch mehrheitsfähig und dass wir dafür viel Geld brauchen, da sind wir uns einig. Das war´s dann in dem Punkt aber auch mit der Einigkeit. Denn die Ideen von der konkreten Ausgestaltung, die gehen weit auseinander.
Nehmen wir die Stadtbahn, das unrühmliche Negativbeispiel des letzten Jahres für politische Entscheidungsfindung: eine uneinige Koalition beschließt im Schweinsgalopp die Bürger*innen zu befragen, nachdem die Stadtbahngegner*innen schon eineinhalb Jahre Wahlkampf gegen die Stadtbahn gemacht haben. Für eine vernünftige Gegen-Information war keine Zeit mehr eingeplant. Die Politik hat sich lächerlich gemacht, indem sie die eigene, gültige Beschlusslage in Frage gestellt hat: Denn der Stadtrat hatte mit großer Mehrheit entschieden, eine Stadtbahn weiter zu planen, wenn die Wirtschaftlichkeit und Förderfähigkeit bestätigt werden.
Das wurden sie – und dann kneift die Politik, steht nicht zu ihren Entschlüssen und verpasst es, die Bürger*innen ausgewogen zu informieren.
Befragt sie aber.
Klar, dass hier viele verantwortungsvolle Mitmenschen auf das Argument der zu hohen Kosten hereingefallen sind. - Weil nicht genau erklärt wurde, dass die hohe Förderung, die wir bekommen hätten, jetzt andere Kommunen abgreifen werden. Aber wir müssen von vorne anfangen, unser Verkehrswendeproblem zu lösen. Nur, dass das jetzt viel teurer für uns werden wird. Wir haben wichtige Zeit und viel Geld verloren und für den Ausbau des Bussystems werden wir voraussichtlich keine Förderung bekommen.
Liebe Stadtpolitik, liebe „alte“ Koalition, liebe Oberbürgermeisterin: Chance vertan!
Interessanterweise werden andere Projekte wie die Sanierung des Pfaffensteiner Tunnels nicht aus Kostengründen in Frage gestellt – obwohl hier unkalkulierbare Kosten lauern. Denn den KFZ-Verkehr halten immer noch viele für unumstritten nötig. Uns ist ja völlig klar, dass wir den Tunnel nicht einstürzen lassen können. Aber wir müssen trotz, oder gerade wegen der Renovierung, umdenken. Eigentlich müssten wir jetzt beginnen, 30% des Verkehrs von der A3 weg zu verlagern. Denn 1/3 des Verkehrs auf dieser Strecke, ist rein regionaler Verkehr. Also Verkehr, der in Zukunft Großteils mit dem Umweltverbund abgewickelt werden muss: als Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Und nicht nur der Tunnel, ein Bundesprojekt, steht an. Auch wir als Stadt haben einen wahnsinnigen Investitionsstau vor uns. Nach diesem IP, also nach 2028, stehen weitere Schulbauten an oder müssen Schulbauten zu Ende gebracht werden: der Neubau der PestalozziSchule, die Albert-Schweitzer RS, die Sanierung des AMGs, die Berufsschulen. Unsere Bildungsreferentin hat einen sauber ausgeklügelten Schulsanierungsplan vorgelegt. Auf dem Gelände der Prinz-Leopold Kaserne wird ein innovatives Stadtquartier entwickelt, Astrid Lamby ÖDP-Fraktionsvorsitzende Rede zum Haushalt 2025 12.12.2024 6 energetisch auf dem neuesten Stand. Wir müssen das Neue Rathaus sanieren, mit dem alten REWAG Gebäude eine wirtschaftliche und nachhaltige Lösung finden. Frankenstraße und -brücke stehen an, das Klärwerk muss zukunftsfähig gemacht werden, Glasfaser Ausbau, Hochwasserschutz, Busbahnhof – sicher weit über eine Milliarde was uns da ins Haus steht. Und was die Stadtverwaltung jetzt schon in den Planungen mitdenken muss, und was sie auch mitdenkt, auch das ist in dieser Form neu.
Wir können keine stadtgestalterischen Luftschlösser mehr planen, keine „Sperenzchen“ machen. Was kommen muss, ist „unsexy“, so würde sich unser Finanzreferent ausdrücken: nachhaltige Daseinsvorsorge, die Kernaufgabe der Kommune. Bildung und Stadtentwicklung, die langfristig Geld sparen wird: Energiewende, Wärmewende, Verkehrswende.
Wir kommen nochmals zurück, warum stimmen wir heute zu?
Neben dem gelungenen demokratischen Prozess, der diesen Haushalt hervorgebracht hat, gibt es noch einen wesentlichen inhaltlichen Punkt, weswegen die ÖDP heute zustimmen kann: erstmals sind für den Ausbau der Nordgaustraße keine Planungskosten eingestellt. Hier handelt es sich nicht um irgendeinen Straßenbau, nein, es ist die Zuwegung für die Sallerner Regenbrücke. Die „Sallerner“ ist für uns als ÖDP-Fraktion schon immer eine „rote Linie“ gewesen. Wir sind erklärte Befürworter*innen der letzten Frischluftschneise. Und wir wissen, dass jedes solche Mammut-Verkehrsprojekt erhalten werden will und in 30 Jahren auch wieder saniert werden muss.
Es ist verantwortungslos, über solche Rieseninvestitionen auch nur nachzudenken. Wer Straßen säht, wird Verkehr ernten. Und wenn der Bund als Bauherr dieser Irrsinnsbrücke nicht versteht, was damit zerstört wird, ist mindestens zu hoffen, dass sich auch der Bund nicht alles leisten kann, was er plant. Wir jedenfalls dürfen nicht die Voraussetzungen schaffen, an dieser Stelle wertvollen Naturraum zu zerstören, Flächen zu versiegeln und Geld zu verschleudern. Unseren Verkehr müssen wir alternativ organisieren – mit dem Umweltverbund, siehe Beispiel Pfaffensteiner Tunnel und A3.
Natürlich wissen wir, dass nicht deshalb keine Mittel eingestellt wurden, weil das alle so sehen wie wir. Aber wenigstens hat das verlogene Spiel: „Ihr könnt den Planungsmitteln schon zustimmen, es tut sich ja eh nichts bei der Sallerner“, ein Ende.
Und weil sich eine Mehrheit des Stadtrates in anderen großen Investitionsfragen einig ist, war auch hier Kompromissbereitschaft zu finden. Jetzt sind Mittel eingestellt, das letzte Wort zu dieser Maßnahme ist nicht gesprochen. Wir haben Zeit gewonnen und angesichts der Haushaltsreste und notwendigen Schulbauten ist sowieso genug anderes zu tun…
Wir stimmen also dem Haushalt, dem Stellenplan und dem Investitionsprogramm zu, wir geben der Demokratie, dem Diskurs, dem Konsens eine Chance. Vielen Dank.