„Die Grüne Welle ist das Ideal“
197 Ampelanlagen regeln den Verkehr in Regensburg. Gesteuert werden sie über einen zentralen Verkehrsrechner. Um dieses System fit für die Zukunft zu machen, haben Stadt und Bund in einem gemeinsamen Projekt zur Digitalisierung des Straßenverkehrs in den vergangenen vier Jahren 2,1 Millionen Euro investiert. Projektleiter Stefan Männicke erklärt, was alles dazugehört und warum es die perfekte Grüne Welle nur im Modell geben kann.

17. April 2025
Wie wurde die Verkehrssteuerung in Regensburg umgebaut?
Als Herzstück der Modernisierung haben wir einen neuen zentralen Verkehrsrechner angeschafft, ebenso wurde das Verkehrsmanagementsystem erweitert. Das neue netzadaptive Verkehrsmodell bietet nicht nur technische Vorteile, sondern es kann auch besser auf kurzfristige Änderungen im Verkehrsfluss reagieren und damit helfen, Staus zu reduzieren. Außerdem haben wir 24 unserer großen Ampelanlagen komplett modernisiert, wir haben sechs zusätzliche Umweltsensoren installiert, um die Luftqualität besser überwachen zu können und wir haben unser Online-Qualitätsmanagement ausgebaut. Dieses Qualitätsmanagement kontrolliert dreierlei: erstens, die Messgenauigkeit und Verfügbarkeit der rund 1.600 Detektoren, die in den Stauräumen der Ampelanlagen verbaut sind, um die Verkehrsmengen zu erfassen. Zweitens die Koordinierung der Ampelanlagen (Stichwort „Grüne Welle“) und drittens die Qualität der ÖPNV-Priorisierung. So sehen wir unmittelbar, ob zum Beispiel ÖPNV-Priorisierungen und Ampelsteuerungen überall laufen wie geplant. Falls nicht, können wir schnell gegensteuern. Um die Erfassung der Verkehrsströme zu verbessern, haben wir außerdem im Straßenraum 108 neue Sensoren angebracht, die in Echtzeit Daten zur Verkehrsdichte, zur Zusammensetzung des Verkehrs und zur durchschnittlichen Geschwindigkeit liefern.

Haben wir jetzt überall in Regensburg Grüne Welle?
Da muss ich Sie leider enttäuschen. Natürlich ist die Grüne Welle für unsere Verkehrssteuerung auf den Hauptverkehrsstraßen immer das Ideal. Wenn alle Autos regelmäßig mit 50 Stundenkilometern fahren, sollten sie immer dann an der Ampel ankommen, wenn sie grün wird. Wir tun viel dafür, um das zu erreichen und nähern uns dem auch an vielen Stellen sehr gut an. Die perfekte Grüne Welle überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit kann es aber trotzdem nur unter gewissen Voraussetzungen geben.

Woran liegt das?
Damit eine Grüne Welle optimal funktioniert, müssen drei Größen optimal aufeinander abgestimmt sein: die Geschwindigkeit der Autos, die sogenannte Umlaufzeit der Ampelanlage (also die Zeit, die eine Ampelanlage braucht, bis jede Seite einmal grün hatte) und der Abstand, der zwischen den Ampeln liegt. Allein schon am letzten Punkt wird klar, dass es nicht so einfach ist mit der Grünen Welle. Ein historisch gewachsenes Straßennetz weicht vom Ideal deutlich ab. Die Abstände der Kreuzungen variieren in den Straßenzügen erheblich. Das heißt: Wenn wir die Grüne Welle für die eine Fahrtrichtung optimieren, funktioniert sie für die Gegenrichtung oft überhaupt nicht mehr. Bei den Umlaufzeiten ist außerdem zu beachten, dass auch Radfahrer und Fußgänger ausreichend Zeit brauchen, um die Kreuzung zu überqueren. Wir können hier also nicht beliebig „schrauben“. Dazu kommt, dass eine Grüne Welle nur funktioniert, so lange die Straßen nicht zu 100 Prozent ausgelastet sind. Andernfalls entstehen Rückstaus und die berechneten Zeiten kommen durcheinander. Gerade zu Stoßzeiten ist das leider häufig der Fall.

Wie geht es weiter mit der Verkehrssteuerung in Regensburg?
Mit dem Abschluss des aktuellen Projekts haben wir einen Meilenstein erreicht und die Grundlage für weitere technische Entwicklungen gelegt. Ein konkretes Beispiel sind die sogenannten Road-Side-Units (RSU), also Geräte, die noch genauere Informationen zur Verkehrssituation liefern können als die bisherigen Sensoren. Diese neue Technik wird gerade im Rahmen des Projekts Smart City für Regensburg entwickelt und soll voraussichtlich im 4. Quartal an einer ersten Testanlage in der Franz-Josef-Strauß-Allee in den Straßenraum gebracht werden. Mit den RSU werden sich Rettungsfahrzeuge zum Beispiel direkt selbst an der Ampel anmelden können ohne den Umweg über die Zentrale Leitstelle.
Für die künftige Priorisierung von Bussen wird derzeit eine neues zentrales Anmeldesystem im ITCS-Standard geprüft. Hierzu sind wir in enger Abstimmung mit das Stadtwerk.Mobilität.
Bei der Vergabe des Verkehrsmanagementsystems haben wir darauf geachtet, dass aktuelle Entwicklungen wie vorausschauende Steuerung durch KI nachgerüstet werden können.
Neben der Kooperation mit dem Smart-City-Projekt arbeiten wir auch mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule zusammen, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien in unser Verkehrsmanagement einbinden zu können. Derzeit läuft hierzu etwa die Entwicklung eines KI-Modells, um ausgefallene Detektoren durch andere Messwerte nachbilden zu können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Text und Interview: Katrin Butz