Grün und intelligent in die Zukunft
Wissenschaft und Wirtschaft mit dem Blick auf wichtige Zukunftsthemen zusammenbringen: Das ist in Regensburg das hauptsächliche Ziel von Clustern. 1996 hat die Stadt damit begonnen, solche Netzwerke zu schaffen. Neun davon gibt es inzwischen, nun kommen zwei weitere hinzu.

2. September 2020
„Die Clusterstruktur in Regensburg ist ein großer Standortvorteil“, sagt Prof. Dr. Georg Stephan Barfuß, Regensburgs Referent für Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzen. Deswegen überlege die Stadt schon seit vielen Jahren immer wieder, „wie wir das erweitern können.“ Und Toni Lautenschläger, Leiter des Amts für Wirtschaft und Wissenschaft, sieht in den „stark auf die Zukunft ausgerichteten Clustern ein Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt."

„Die Cluster haben gerade vielen mittelständischen Unternehmen in Regensburg geholfen, sich zu entwickeln und zu wachsen.“
Neun dieser Netzwerke hat die Stadt Regensburg in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten angestoßen, nun werden zwei weitere hinzukommen. Das Ziel: Im Austausch von Wissenschaftlern, etablierten Unternehmen und jungen Firmen soll die Regensburger Wirtschaft immer aufs Neue fit gemacht werden für die Zukunft, und sie soll immer widerstandsfähiger werden gegenüber Unsicherheiten und Turbulenzen auf den Weltmärkten, wie etwa den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie.
Vergleichsweise robust
Schon in der zurückliegenden Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hat sich gezeigt, dass die Gesamtwirtschaft in Regensburg vergleichsweise robust aufgestellt ist: Zusätzlich zu den großen Unternehmen etwa aus der Automobilindustrie, der Elektrotechnik und dem Maschinenbau sind in der Stadt zahlreiche etablierte mittelständische Unternehmen wie auch junge Firmen in einer Vielzahl von Branchen tätig. Die Wirtschaftsförderung der Stadt verfolgt das Ziel, dass Forschung, Entwicklung, Produktion und Dienstleistungen der in Regensburg ansässigen Unternehmen immer breiter und zukunftsorientierter aufgestellt werden.
Dazu trägt zu einem wesentlichen Teil die im Jahr 1996 begonnene Cluster-Strategie der Stadt bei, die um zwei weitere Zukunftsthemen erweitert wird: Wirtschaftsreferent Prof. Dr. Barfuß, Amtsleiter Lautenschläger und ihr Team arbeiten derzeit an einem Netzwerk für „Grüne Innovationen“. Ein weiteres soll sich ab 2021 um Entwicklung und Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) kümmern.
„Bereich mit Wachstumspotential“
Im Netzwerk für „Grüne Innovationen“ wird es um die Erzeugung von erneuerbarer Energie und ihre weitere Entwicklung gehen – und zudem darum, Unternehmen branchenübergreifend für den sparsamen, umweltverträglichen Einsatz von Energie und Materialien zu gewinnen und sie darin zu unterstützen, CO2-Emissionen einzusparen. Referent Barfuß greift dabei auf Erfahrungen aus seiner zurückliegenden Tätigkeit als Nachhaltigkeitsmanager in einem Unternehmen der Automobilzuliefererbranche zurück. Seine Prognose fasst er so zusammen:

„Die Wirtschaft wird grün oder sie wird nicht mehr sein.“
„Wenn man die Karte der Nachhaltigkeit intelligent spielt, wird sie zu einem Alleinstellungsmerkmal für Unternehmen und damit zu einem Wettbewerbsvorteil.“ Gerade Deutschland mit seiner sozialen Marktwirtschaft habe hier im globalen Wettbewerb mit den USA oder China einen Standortvorteil, den es zu nutzen gelte.
Als erste Beispiele für neue verpflichtende Regularien verweist Barfuß auf die kommende CO2-Steuer und das Lieferkettengesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, alle ihre Zulieferungen auf Umweltverträglichkeit und auf die Einhaltung von Arbeitsvorschriften hin zu überprüfen. Amtsleiter Toni Lautenschläger sagt, er sei davon überzeugt, dass Umweltschutz und der sparsame Einsatz von Ressourcen „ein starkes Wirtschaftsfeld wird. Das sind Themen, die weltweit gesetzt sind, und das ist ein Bereich mit Wachstumspotential.“
Mit der städtischen Initiative für das neue Netzwerk „Grüne Innovation“ hat der Wirtschaftsreferent schon „breite Zustimmung in der Wirtschaft gefunden“, wobei Barfuß das Thema ganzheitlich angehen will: Vom Industrieunternehmen über Mittelständler, Start-ups und Einzelhandel bis hin zum Tourismus. Die städtische Tochter Regensburg Tourismus GmbH bietet im Marinaforum bereits die Möglichkeit für nachhaltige Feiern und Tagungen. Und als sich der Regensburger Einzelhandel auf den Corona-Lockdown einstellen musste, wurden bestellte Waren umweltfreundlich per Lastenfahrrädern ausgeliefert.
Auch wegen Corona: „Unser Cluster kommt zur richtigen Zeit“

„Corona ist wie ein Brandbeschleuniger“, findet der Referent, „weil wir sehen, dass gewisse Geschäftsmodelle eh nicht mehr zeitgemäß waren“. So komme „unser neuer Cluster zur richtigen Zeit“ – auch deswegen, weil angesichts der milliardenschweren Förderpakete von Bund und Land zur Bewältigung der wirtschaftlichen Corona-Folgen die Möglichkeit bestehe, an Fördergelder zu kommen. In die Organisation dieses Netzwerks soll übrigens die Energieagentur Regensburg – ein Zusammenschluss der Stadt und der Landkreise Regensburg und Kelheim – eng eingebunden werden.
KI für Hightech-Produktion
Das zweite neue Netzwerk, das nach dem Dafürhalten des Wirtschaftsreferenten für den Technologie-Standort Regensburg „absolut relevant ist“, will die Stadt „ab dem nächsten Jahr massiv in Angriff nehmen“. Dieses Cluster soll dazu beitragen, die an der Universität und der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) bereits bestehenden Forschungsinitiativen zur Künstlichen Intelligenz (KI) zu stärken und Projekte ausfindig zu machen, in denen das selbstständige Lernen von Computersystemen in konkreten Anwendungen eingesetzt wird. „Wir wollen KI eng mit der Hightech-Produktion verzahnen“, erklärt Barfuß, etwa zur Verbesserung von Produktionsabläufen, was wiederum zur Einsparung von CO2 beitragen könne. So schließt sich der Cluster-Kreis. Alles hängt eben mit allem zusammen, auch in der Regensburger Wirtschaftsförderung.
Hier ist die Zukunft daheim

Ein Effekt von Clustern sind Start-ups – junge Unternehmen, die oft von Hochschul-Mitarbeitern oder -Absolventen gegründet werden und die eigenständig oder in der Zusammenarbeit mit großen, etablierten Unternehmen neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Wie das funktioniert, zeigt der BioPark: Die 1999 von der Stadt gegründete BioPark Regensburg GmbH hat mit Unterstützung durch die EU, den Bund und den Freistaat insgesamt 42 Millionen Euro in drei Bauabschnitte für Labors und Büros investiert, die auf dem Gelände der Universität errichtet wurden. Derzeit sind im BioPark etwa 40 Unternehmen mit 600 Beschäftigten tätig.

Nahe dem Uni-Campus und der OTH steht die TechBase, betrieben von der städtischen R-Tech GmbH und 2016 eröffnet. Sie versteht sich als technologieorientiertes Innovations- und Gründerzentrum, in dem junge Unternehmen, die sogenannten Start-ups, zu günstigen Konditionen an ihren Forschungen und Entwicklungen arbeiten können. Dazu ermöglicht die TechBase Beratung sowie Kontakte zu Industrie, Wissenschaft und Investoren. Zudem hat in der TechBase die neue bayerische Landesagentur für Energie und Klimaschutz die Arbeit aufgenommen. Sie soll – als Teil des Landesamts für Umwelt – mit der Koordination und der verstärkten Vernetzung schon bestehender Einrichtungen die Energiewende in Bayern und die Anstrengungen im Klimaschutz unterstützen.

Als Ergänzung der TechBase entsteht in deren Nachbarschaft das Gewerbegebiet TechCampus, auf dem sich High-Tech-Unternehmen einmieten oder mit einem eigenen Gebäude ansiedeln können. Auf dem TechCampus hat die Stadt zudem ein besonderes Gebäude errichtet – das RUBINA. In ihm wird in Zusammenarbeit mit dem Verein MINT-Labs ein Bildungszentrum eingerichtet, das Kinder und Jugendliche für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik begeistern soll. In das RUBINA sollen außerdem die von der Stadt und den Landkreisen Regensburg und Kelheim betriebene Energieagentur und ein Energiebildungszentrum einziehen.

Das von der Stadt betriebene „Degginger“ in der Wahlenstraße ist Bühne, Treffpunkt, Schaufenster, Galerie und Arbeitsraum für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Regensburg, der rund 4.000 Beschäftigte zugerechnet werden. Das „Degginger“ bietet zudem ein Café und ein attraktives Veranstaltungsprogramm.
Text: Rolf Thym
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Cluster? Was ist das?
Mit dem englischen Begriff Cluster (Anhäufung, Zusammenballung) werden meist lokale Netzwerke bezeichnet, in denen sich auf einen bestimmten Bereich spezialisierte Forschungseinrichtungen und Unternehmen austauschen. Ziel solcher Cluster ist es unter anderem, aus Forschungsergebnissen neue Produkte oder Dienstleistungen werden zu lassen und damit bereits bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Cluster-Initiativen gibt es in Regensburg seit 1996. Die erste – und inzwischen größte und bekannteste – führte zur Gründung des von einer städtischen Tochtergesellschaft betriebenen Bioparks. In den vergangenen knapp zweieinhalb Jahrzehnten sind in Regensburg diese Cluster entstanden:
- Biotechnologie/Lebenswissenschaften
- IT-Sicherheit
- IT-Logistik
- Sensorik
- Mechatronik & Automation
- Elektromobilität
- Energie
- Kultur- und Kreativwirtschaft
- Gesundheitswirtschaft
Als neue Cluster kommen nun hinzu: Ein Netzwerk für „Grüne Innovationen“ und eines mit dem Schwerpunkt „Künstliche Intelligenz“.