Wenn Abfall auf Geschichte trifft
Im November haben die Altstadt-Straßenreiniger ihr neues Quartier im historischen Runtingerhaus bezogen. Amtsleiter Dr. Christian Herr und sein Mitarbeiter Jakob Uhlig nehmen das zum Anlass, die historische Entwicklung der Abfallentsorgung zu beleuchten. Zudem zeigen wir Ihnen Bilder aus der neuen Unterkunft.

24. November 2020
Ein Teil der Regensburger Entsorgung hat Ende Oktober die neue Unterkunft im Runtingerhaus in der Keplerstraße 1 bezogen. Das Team aus 17 Kolleginnen und Kollegen hat bereits seit geraumer Zeit diesem Umzug entgegengefiebert, da die bisherigen Räumlichkeiten im Ägidiengang an ihre Grenzen gestoßen sind und baulich von Grund auf überholt werden müssen. Dass ein Verbleib in der Regensburger Altstadt realisiert werden konnte, ist umso erfreulicher, als dieses Team vornehmlich für den Bereich der Altstadt zuständig ist und auch am Wochenende dafür Sorge trägt, dass diese von Unrat befreit wird, damit Regensburg seiner historischen Rolle auch optisch gerecht werden kann. Die Notwendigkeit und Bedeutung dieser Aufgabe, die zum überwiegenden Teil in den frühen Morgenstunden sowie im Hintergrund erfolgt, ist im Sommer 2020 durch den coronabedingten, sprunghaften Anstieg des Abfallaufkommens in der Altstadt einmal mehr deutlich geworden.
Das Runtingerhaus birgt eine lange und faszinierende Geschichte. So gilt es als eines der ältesten und besterhaltenen Patrizierhäuser. Das frühgotische Treppengiebelhaus entstand in der Mitte des 13. Jahrhunderts und war seit dem Jahr 1367 der Stammsitz der Kaufmannsfamilie Runtinger, eine der wohlhabendsten Regensburger Familien in dieser Zeit. Der älteste Ursprung des Gebäudes mit Staffelgiebel und Zinnenattika geht auf einen Turm von 1200 zurück. Im Innenhof befindet sich ein Ziehbrunnen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde das Gebäude als Gasthof genutzt, verfiel aber zusehends und wurde im 19. Jahrhundert in zahlreiche Kleinwohnungen aufgeteilt und 1978 umfassend saniert. Heute ist dort auch das Regensburger Stadtarchiv untergebracht.
Die städtischen Aufgaben der Abfallentsorgung bzw. Straßenreinigung können ebenfalls auf eine historische Entwicklung zurückblicken, wobei die Spuren weit zurückreichen.
Im Ursprung wurden die Aufgaben der Abfallentsorgung im engen Zusammenhang mit der Straßenreinigung gesehen. Über viele Jahrhunderte hinweg gab es zwischen beiden Bereichen praktisch keinen Unterschied. In der Antike waren die sogenannten Ädilen für die Abfallbeseitigung und Straßenreinigung verantwortlich. Ädilen waren römische Beamte, zu deren Funktionen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch Ausübung u.a. der polizeilichen Gewalt, die Aufsicht über Tempel, öffentliche Gebäude, Märkte, Straßen, und Kanäle gehörten. In dieser Zeit waren die Bürgerinnen und Bürger angehalten, selbst die Straßen und Plätze vor ihrem Haus sauber halten. Haben sie aber ihre Pflichten vernachlässigt, wurden private Unternehmen mit der Straßenreinigung beauftragt. Dies war auch notwendig, da zu der Zeit vermutlich auch Abfälle und Fäkalien auf der Straße entsorgt wurden. An Orten, die frei von Fäkalien bleiben sollten, wurden Inschriften angebracht, die mit dem Zorn der Götter drohten, sollten die Menschen dort ihre Notdurft verrichten. Der Ort der Wahl für die Entsorgung der meisten Fäkalien und Abfälle waren aber die nächsten Fließgewässer, was zu großflächigen Wasserverschmutzungen führte. In Rom veranlasste die Verschmutzung des Flusses Tiber Kaiser Augustus dazu, ein Amt für Müllbeseitigung einzurichten.
Recycling hat auch damals bereits eine zentrale Rolle gespielt. So haben die Menschen stets versucht, Abfälle wie Metalle, Gläser oder Textilien, wieder zu verwerten. Metallsammler liefen dazu durch die Straßen und kauften nicht mehr benötigte Metallteile auf, um diese einzuschmelzen und daraus neue Gegenstände bzw. Werkzeuge zu fertigen. Tonscherben und Bauschutt konnten aber nicht wiederverwendet werden und wurden deshalb auf Sammelstellen vor der Stadt angehäuft – vielleicht mit der Ursprung des Regensburger Kulturschutts, da dieses Material auch zur Verfüllung bzw. Geländebegradigung genutzt wurde.
Auch noch im Mittelalter wurde der sogenannte Unrat auf den Gassen oder im nächsten Fließgewässer entsorgt. Nach und nach wurden die Bürger aber dazu verpflichtet, ihren Müll auf die städtischen Deponien außerhalb der Stadt zu bringen und häusliche Latrinengruben für Fäkalien auszuheben. Ab dem 12. Jahrhundert wurden zwischen den Grundstücken dann Gräben gezogen, die Abfall und Abwasser in das nächste Fließgewässer leiteten. Zur Instandhaltung und Reinigung dieser Gräben wurden Grabenmeister und Grabenfeger eingestellt. Auch die Leerung von großen steinernen Latrinengruben wurde von städtischem Personal durchgeführt. Die wahrscheinlich erste städtische Müllabfuhr in Deutschland gab es ab dem 14. Jahrhundert in Köln. Der „Dreckkarren“ fuhr nachts durch die Gassen, um den Unrat auf den Straßen einzusammeln und diesen dann aus der Stadt heraus auf dafür vorgesehene Plätze zu fahren. Finanziert wurde diese Müllabfuhr bereits durch eine von allen Bürgern erhobene Abgabe. Auch in Wien kann ab dem 15. Jahrhundert die Bezahlung von sog. „Mistrichtern“ nachgewiesen werden, die für die ordnungsgemäße Abfallentsorgung verantwortlich waren. Regensburg verfügte im Mittelalter im Gegensatz zu anderen Städten über eine große Anzahl an Abortschächten und Müllgruben in den einzelnen Parzellen. Fäkalien und häuslicher Abfall wurden dort privat entsorgt. Allerdings wird auch in Regensburg mit einer quasi öffentlichen Entsorgung während des Mittelalters ausgegangen. Vor dem Jakobstor, an der westlichen Stadtmauer, wurde eine großflächige Deponie nachgewiesen, die aus mittelalterlichen Abfällen bestand und die neben den Fließgewässern (Donau, Vitusbach) von der öffentlichen Entsorgung und für gewerbliche Abfälle genutzt wurde.
Mit dem steigenden Lebensstandard nahm auch die Müllmenge deutlich zu. In der Frühen Neuzeit, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, war der Umgang mit Abfall ein ständiger Konfliktherd zwischen Bürgern und den kommunalen Obrigkeiten. Diese versuchten der Müllflut mit zahllosen Vorschriften und Verboten Herr zu werden, allerdings meist mit geringem Erfolg. Auch die Müllfahrer erregten Anstoß, denn sie transportierten mit ihren „Dreckkarren“ oft auch Lebensmittel. Sie brachten auf einer Tour Mist aus der Stadt hinaus und Kornsäcke zurück. Um solche Missstände zu beseitigen, nahmen immer mehr Städte die Abfallentsorgung selbst in die Hand. Statt wie bisher nur die Bürger zum Abtransport zu verpflichten, schlossen die Städte Verträge mit Fuhrunternehmern. Manche führten auch schon eine kommunale Müllabfuhr mit eigenen Bediensteten ein. War die Nachfrage nach Dünger im Umland hoch, konnte die Stadt sogar ein Geschäft machen. In Regensburg begannen konkrete Überlegungen zu einer städtisch organsierten Müllentsorgung in den späten Amtsjahren des damaligen Bürgermeisters Stobäus (1868 – 1903). Auf Basis entsprechender Beschlüsse erfolgte die Einführung der Müllabfuhr in Regensburg Anfang 1903 zunächst im Rahmen eines Probebetriebs in zwei Bezirken und wurde am 16. Mai 1906 schließlich auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet. Bereits damals gab es schon Überlegungen zu einer Müllverbrennungsanlage, die aber aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt wurden. Die Aufgabe der thermischen Entsorgung übernimmt heute der „Zweckverband Müllkraftwerk Schwandorf”, der sich 1979 unter Teilnahme der Stadt Regensburg gegründet hat.
Aktuelle Herausforderungen. Ziel: Zero Waste

Die Stadt Regensburg hat im Februar 2020 beschlossen, eine Zero Waste Strategie zu entwickeln, um der Entstehung von Abfall entgegenzuwirken. Die Dringlichkeit dazu wird insbesondere ebenfalls durch die aktuelle Covid-19-Pandemie deutlich, die in bestimmten Bereichen, getragen von erhöhten Anforderungen an den Infektionsschutz sowie angepasstem Konsumverhalten, zu einem erhöhten Müllaufkommen beiträgt. In den letzten sieben Jahren hat sich das Gesamtaufkommen an Abfall zwischen ca. 80.000 bis 90.000 Tonnen bewegt, Tendenz steigend – bedingt unter anderem auch durch das stetige Wachstum der Stadt Regensburg. Der Anteil an Restmüll liegt dabei bei ca. 50 Prozent je Einwohner der Stadt Regensburg. Daraus leitet sich ein Restmüllanteil von ca. 300 kg pro Jahr ab (Hausmüll inklusive Geschäftsmüll, Sperrmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen). Wenn man dem das Ziel von Zero Waste – 50 kg pro Jahr und Einwohner – gegenüberstellt, zeigt sich, wie groß die Herausforderung ist, die die Stadt hier bewältigen will.
Der Fokus liegt auf einer Vermeidung von Abfall an den Stellen, wo dieser im Ursprung entsteht. Produkte, Verpackungen und Materialien sollen optimaler Weise verantwortungsbewusst produziert, konsumiert und wiederverwendet werden. Dadurch lassen sich auch weitere CO2-Einsparungspotentiale heben bzw. kommt der Kreislaufwirtschaft für die Umsetzung des europäischen Green Deal eine immer stärkere Bedeutung zu. Der Aufbau sowie die Umsetzung von „Zero Waste Regensburg“ soll auch in einer Zertifizierung durch „Zero Waste Europe“ münden. Durch die Zertifizierung wird dann auch gewährleistet sein, dass die Strategieentwicklung zielgerichtet erfolgt und in eine Umsetzung auf Basis messbarer Maßnahmen mündet.
Text: Dr. Christian Herr und Jakob Uhlig